Traditionen

Eine Verschmelzung der deutschen und karnischen Kultur

Der mühsame Zugang, die karge Umgebung und das Vorhandensein einer deutschsprachigen Bevölkerung haben „draußen“ den Mythos einer isolierten Gemeinschaft genährt, in der über Jahrhunderte die Umgebung, die Sprache und die Traditionen unverändert geblieben seien. Aber die Geschichte lehrt, dass es keine „Inseln“ gibt. Die Dokumente und Recherchen haben umfassend gezeigt, dass die Bewohner von Sauris von Beginn an Wege geschaffen, die Grenzen und Berge überwunden, mit den benachbarten Völkern Beziehungen unterhalten haben, mit ihnen Tauschhandel getrieben, deren Sprachen gelernt und deren Gewohnheiten beobachtet haben.
Viele Gewohnheiten der Sauranischen Bevölkerung sind das Ergebnis der faszinierenden Verschmelzung unterschiedlicher Kulturen, darunter Allen voran die deutsche und karnische, die zu der besonderen Eigenart der Gemeinschaft beigetragen haben. Neben Aspekten und Elementen der materiellen Kultur (Architektur, Konservierung und Zubereitung der Speisen, Werkzeuge und Bearbeitungstechniken in der Landwirtschaft, Kleidung die bis vor einigen Jahrzehnten noch üblich war), haben sich vor allem im religiösen und symbolischen Bereich die interessantesten und lebendigsten Traditionen erhalten.

Religiöse Traditionen

Das Sternsingen, Wallfahrten und Prozessionen

In der Weihnachtszeit und zu Dreikönig finden festlichen Bittgänge statt. Beim Sternsingen ziehen junge und Alte durch die Gassen der Ortschaften, an verschiedenen Tagen, mit einem bunten und beleuchteten Stern, alte Weihnachtslieder in Mittelhochdeutsch, Italienisch und Latein singend (die Sternliadln) Am ersten Tag des neuen Jahres ziehen die Kinder von Haus zu Haus, singen Glückwunschlieder auf Sauranisch und erhalten dafür Süßigkeiten, Dörrobst und so manche Geldmünze. In Lateis, ziehen an diesem Tag die Erwachsenen von Haus zu Haus und singen das „Veni Creator Spriritus“.

Während der Karwoche ziehen die Kinder mit ihren lärmenden Ratschen (kretcars und tovln) durch die Straßen. Der Lärm dieser Instrumente ersetzt den Klang der Glocken, während in den Kirchen dem Leiden und Sterben Christo gedacht wird. Besonders eindrucksvoll ist der Kreuzweg am Karfreitag in Sauris di Sopra, bei dem das Kreuz mit den Symbolen der Passion mitgeführt wird.

In den verschiedenen Ortsteilen werden die jeweiligen Schutzheiligen gefeiert und einige Marienfeste. Während dieser und anderer religiöser Feste finden rituelle Segnungen statt. (Wasser, Salz und Früchte zu Dreikönig, Brot zu Ostern, der geweihte Strauß am 8. September, dem Fest der Geburt der Hl. Maria).

In der dritten Septemberwoche findet die Wallfahrt in das Kärntner Marienheiligtum Maria Luggau statt, eine Tradition die in den vergangenen Jahrhunderten verankert liegt, zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufgegeben und in den letzten Jahrzehnten wiederaufgenommen wurde. Der Weg führt zu Fuß durch das Pesarina Tal und das Tal von Sappada, wo sich den Pilgern aus Sauris und den anderen Ortschaften die Wallfahrer aus Sappada anschließen, um das Heiligtum im Lesachtal zu erreichen.

Der Karneval

Eine Tradition um den Winter hinter sich zu lassen

In den 90’er Jahren des vergangen Jahrhunderts wurde der Brauch des traditionellen Karnevals, nach einem Zeitraum in dem er vernachlässigt worden war, mit einigen unvermeidlichen Adaptierungen an die neue Zeit wieder aufgenommen.
Die Masken, die in schöne (scheana,schembln) und schiache (schentana schembln) geteilt sind, ziehen, je nach Art, alte Kleider an, setzen Hüte mit bunten Papierblumen und Bändern auf und tragen Holzmasken vor dem Gesicht, Schleier oder einfach Ruß (rues). Andere Karnevalsfiguren in Sauris sind die Rölar und die Kheirar. Beim Ruf des Rölar, der einem Gürtel mit lärmenden Schellen (röln) trägt, sammeln sich die anderen Masken und ziehen durch die Gassen der Ortschaft, dem Kheirar und den Glöcknern folgend. Früher ging der Kheirar mit einem großen Stallbesen in die Häuser hinein und lud die Maskenpaare nacheinander ein zu tanzen und kehrte hinter jedem Paar die Stube aus um symbolisch den Winter und die negativen Kräfte auszutreiben und Platz für das Neue und den Frühling zu schaffen.

Die Esskultur

Getreide, Milchprodukte und Rauchfleisch

Der, durch das Klima und die Bodenbeschaffenheit bedingte Mangel an lokalen Produkten aus der Landwirtschaft, hat die Essgewohnheiten beeinflusst und es hat sich eine Küche aus wenigen Gerichten mit wenigen Zutaten entwickelt, die jedoch reichhaltig und der schweren Arbeit und den intensiven Arbeits Rhythmen angepasst war, die während einiger Monate des Jahres zu erledigen waren.
Den Hausfrauen standen einige weniger verbreitete Getreidesorten zur Verfügung, Gerste, Roggen, Buchweizen, Milch und Milchprodukte, das Fleisch der Haustiere, Wild, Wildkräuter und Gemüse aus dem Garten, die Rüben, das Kraut und Ackerbohnen.
Diese Hülsenfrucht, die kälteresistent und für die Höhenlage geeignet ist, kam wahrscheinlich mit den ersten Bewohnern nach Sauris. Sie diente als Ersatz für die Gartenbohne, sowohl bei der täglichen Ernährung als auch beim Tauschhandel mit den Nachbarorten. Die Bedeutung der Ackerbohne in der kulinarischen Tradition in Sauris kann man auch an der Häufigkeit erkennen, mit der sie in Sprichworten, Gedichten und Redensarten vorkommt.
Ein weiteres wichtiges Gemüse ist das Kraut, das nicht nur frisch genossen, sondern durch Gärung konserviert werden konnte. Das so entstandene Produkt wurde in den Wintermonaten verzehrt oder gegen Gartenbohnen oder Früchte eingetauscht.
Die Rübe wurde schrittweise durch die Kartoffel ersetzt, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts mit gutem Ertrag in Sauris angebaut wird.
Die Erzeugung der Milchprodukte war beachtlich. Mit dem Gewinn aus den hochwertigen Milchprodukten, die für den Markt gedacht waren, konnte man Importwaren erwerben: Weizen, Mais, Früchte, Gewürze und vor Allem Salz, das für Mensch, Tier und die Haltbarmachung verschiedener Nahrungsmittel notwendig war. Deshalb gab es Butter und Käse nur bei besonderen Gelegenheiten (besonders schwere Arbeiten, Krankheit, Geburt, Hochzeit, Begräbnisse und große Feste). Häufig kam aber ein spezieller, in Salzlake konservierter Käse auf den Tisch. Auch Topfen, der geräuchert oder fermentiert wurde standen auf dem täglichen Speiseplan.
Die Technik des Räucherns, die vor Allem zur Haltbarmachung von Fleisch verwendet wurde, war fast sicher von den ersten Siedlern nach Sauris gebracht worden und die Sauraner wurden darin zu regelrechten Künstlern.
Unter den Fleischsorten der Haustiere, wurden Schaf und Schweinefleisch am häufigsten verzehrt. Vor Allem das Schwein sorgte für das Überleben der einzelnen Familien, da es Speck, Bauchspeck, Würste, Blutwürste und das Schmalz lieferte. Heute ist Sauris auch ein Synonym für Schinken. Vom Schwein gewann man auch den Schinken, der aber selten auf den Tisch der Produzenten kam, da er hauptsächlich für den Markt erzeugt wurde.